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D'Wort, 5.3.2007

Schubert - einmal (ganz) anders

"Schuberts Winterreise als Rockversion" im Kapuzinertheater

Franz Schuberts Liederzyklus "Die Winterreise", den er zu 24 Texten des deutschen Dichters Wilhelm Müller, kurz vor seinem Tode, 1828, fertig stellte, gehört sicherlich zu den beliebtesten "Werken des romantischen Komponisten.

In die Reihe illustrer Interpreten wie Dietrich Fischer-Dieskau oder Thomas Quasthoff, gesellten sich am Freitagabend im Kapuzinertheater der Sänger, Schauspieler und Musiker Rainer Piwek, Mitglied des Hamburger Thalia Theaters, und seine drei Begleitmusiker Lothar Müller, Philipp Haagen und Albrecht Husen.

Gleich zu Beginn begrüßte Rainer Piwek das Publikum zu einer Vorstellung, bei der es "nicht darum gehe eine heilige Kuh zu schlachten". Was genau er mit dieser Andeutung meinte, eröffneten gleich die ersten Akkorde: Hier wurde die Winterreise nicht "nacherzählt", sondern eine zeitgenössische Aneignung, eine emotionale'und formale Suche nach der tieferen Bedeutung des Werks gestartet. Während die einen Zuhörer, anlässlich dieses "Großangriffs" mit Schlagzeug und Live-Sampler, in geschockte Starre zu verfallen schienen, gingen die anderen in einer erwartungsvollen Spannung auf.

Piweks gesangliche und darstellerischen Qualitäten, die experimentierfreudige Musikalität, aber auch die augenscheinlich herzliche Einheit des Quartetts wussten zu überraschen und bewegen. Auch geflüstert, gerockt und gekrächzt ging der Zauber von Schuberts "schauerlichen Liedern" nicht verloren - im Gegenteil. "Fremd bin ich eingezogen" heißt es im ersten Vers der Winterreise - den Saal verlassen hat man dann mit dem beflügelnden Gefühl etwas Einzigartiges mit Freunden geteilt zu haben.
von Vesna Andonovic
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zuletzt aktualisiert am 10.3.2007