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Frankfurter Runschau 31.5.2000

Sänger in Bistros

"Jacques un pour soi": Ein Brel-Abend im TAT
Von Dirk Fuhrig

Drei Männer betrauern den Tod ihres -"Kumpels", muss man wohl sagen. Der, dem immer das vierte Glas Rowein gehörte, wenn angestoßen wurde. Nun landet der Inhalt dieses Glases im Blecheimer. Im Hintergrund steht Fernands Urne aus ähnlichem Material.

Fernand ist weg, seine Freunde singen traurige Lieder. Lieder von Jacques Brei, dem Belgier, der Fernand gewesen sein könnte, wie die Inszenierung nahelegt. Der mit den dreien in der Kneipe gesessen und getrunken, gequatscht und rumgedröhnt hat. Eine Männerkumpanei, die zwischen Cocktailsessel, Couchtisch und gelbem Bierkasten im Bockenheimer Depot daherschwadroniert. Die Dekorations- gegenstände werden gestemmt, geschleppt und auf den Boden gedonnert. Man redet mit französischem Akzent, was immer lustig ist, weil man so schön das Klischee des ruppigen Bistro-Franzosen verbreiten kann.

Doch dann fangen Nicolas Rosat, Alexander Simon und Philipp Haagen an zu singen. Und sofort ist das halbstark Männerbündlerische weg. Kommt eine tristmorbide Stimmung auf, wie sie selbst Juliette Greco als somnambule Brel-Interpretin kaum besser hingekriegt hat. Simon und Rosat treffen einen feinen, düsteren Ton, trübsinnig und packend, aber auch scharf konturiert und pathosfrei.

Außergewöhnlich die Musik: Philipp Haagen hat den Stücken, die ansonsten meist nur mit Klavierbegleitung gegeben werden, manchmal jazzig, manchmal neumusikalisch arrangiert. Der Flügel ist präpariert, Haagen kratzt und pustet über die Saiten, lässt Cluster einbrechen und nimmt immer wieder die Tuba auf den Schoß. Nie gehörte, nie vermutete Seiten lauschen die drei mit den Instrumenten und ihren Stimmen den Brelschen Gassenhauern ab, die normalerweise so vertraut im Ohr klingen, dass sie hart an der Kitschgrenze liegen. "Ne me quitte pas" natürlich, im nächtlich gedimmten TAT-Foyer so melancholisch und doch so larmoyanzfrei wie selten.

"Jacques un pour soi" heißt wortspielerisch das Programm ("chacun pour soi" -jeder für sich), mit dem die drei Schauspieler - unter anderem vom Burgtheater und dem Hamburger Schauspielhaus - unterwegs sind. Ein kleinkünstlerischer Glanzpunkt zum Spielzeit-Ende des TAT. Im Herbst kommt einer von ihnen, Nicolas Rosat, wieder nach Frankfurt: als Schauspieler in Tschechows "Möwe".
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zuletzt aktualisiert am 31.5.2006